top of page

Getreide im Hundefutter?

  • Autorenbild: zumlorcheborn
    zumlorcheborn
  • 16. Aug. 2024
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 7. Okt. 2024

Eine Zutat, die recht häufig in kommerziellem Hundefutter vorkommt hat in den letzten Jahren deutlich an Popularität verloren, Getreide. Die Nachfrage nach getreidefreien Sorten steigt und so tauchen vermehrt Produkte mit Kartoffeln oder anderen Stärkequellen auf.

Was ist davon zu halten? Treibt man da nicht den Teufel mit dem Beelzebub aus? Und warum lehnen viele Hundehalter, vor allem Barfer, solche Futterkomponenten ab? Erwächst diese Überlegung aus rein ideologischen Motiven, wie man bei dieser Frage durchaus vermuten könnte? Wird zu viel Drama um das Thema gemacht, oder ist es schlichtweg sinnvoll, einen Hund Lowcarb zu ernähren? Ist Getreide gesund oder schädlich für Hunde?

Zunächst einmal ist es zweckmäßig, des Pudels Kern zu erkennen, wenn es um den Einsatz von Getreide und Co. und deren Sinnhaftigkeit als großer Bestandteil von Hundefutter geht. Bringen wir es auf einen Nenner, nämlich auf Kohlenhydrate. Es soll bei dieser Betrachtung also gar nicht nur um Getreide gehen, sondern auch um andere Stärke Lieferanten wie z. B. pseudo Getreide (Amaranth etc.), Kartoffeln, Erbsen oder Maniok, die vermehrt im Hundefutter zu finden sind.

All diese Dinge haben eins gemeinsam, sie sind stark kohlenhydrathaltig.

Der Mensch, der Hund und die Kohlenhydrate

Aus einer Studie ging unlängst hervor, dass Hunde im Vergleich zu Wölfen mehr Gene besitzen würden, die mit der Stärke Verdauung in Verbindung stehen, was im Übrigen laut dieser Untersuchung ein bedeutender Schritt in der frühen Domestikation des Hundes gewesen sei. Die Fähigkeit zur Kohlenhydratverwertung habe die Domestikation also überhaupt erst ermöglicht. Interessant, nicht wahr?

Diese Studie soll hier nicht im Detail analysiert werden, interessant ist jedoch die Tatsache, dass die Domestikation des Hundes wohl vor 40.000 Jahren an verschiedenen Orten der Erde unabhängig voneinander begann. Vor rund 10.000 Jahren war der Hund bereits weltweit verbreitet und in verschiedenen Größen und möglicherweise auch Farben und Formen vorhanden.

Ich bin kein Historiker, aber ein Blick in die Geschichtsbücher lässt doch Fragen an den Schlüssen der Studie aufkommen. Die Fakten, die so genannte neolithische Revolution, also der Wandel der Lebensweise des Menschen weg vom Dasein als Jäger und Sammler hin zur Sesshaftigkeit fand etwa vor 12.000 Jahren statt (Hunde waren da schon bereits seit mind. 20.000 Jahren domestiziert). Anfangs wurde noch Feldgraswirtschaft betrieben und erst ab dem Mittelalter, also etwa 800 n. Chr. entwickelte sich die Dreifelderwirtschaft, so dass die Ertragsraten langsam stiegen. Etwa im 18. Jahrhundert kam es zu einer Ausweitung des Ackerbaus und neben Getreide wurden nun auch Kartoffeln und Mais angebaut. Bis zur Industrialisierung war der Anbau von Kulturpflanzen eine echte Knochenarbeit, die zudem vergleichsweise wenig ertragreich war. Jeder, der mal ein Landwirtschaftsmuseum betreten hat, kann sich das nur zu gut vorstellen. Erst seit der Mensch Hilfe durch Pferde bekam (Domestikation übrigens erst ab 3.000 v. Chr.) wurde es etwas einfacher Feldfrüchte zu ernten. Aber erst seitdem der Mensch durch die Industrialisierung maschinelle Unterstützung bekam, boomte der Ackerbau wirklich.

Was ist auffällig dabei? Die Domestikation des Hundes soll durch seine Anpassung an die Kohlenhydratverwertung ermöglicht worden sein, der Ackerbau und damit der Zugang zu den großen Kohlenhydratlieferanten begann aber erst einige tausend Jahre später. Wie kann das sein? Das ergibt keinen Sinn. Die Anpassung (sofern es denn wirklich eine gab) muss also nach der Domestikation stattgefunden haben. Und soll es dann wirklich so gewesen sein, dass Menschen gleich zu Beginn des Ackerbaus die hart erarbeiteten Früchte ihren Hunden gaben? Wohl kaum! Woher also nahmen die frühzeitlichen Hunde die Kohlenhydrate, an die sie sich so gut angepasst haben sollen? Aus Beeren und Wurzeln (Kohlenhydratanteil unter 5 %)? Aus säuerlich bitteren Wildäpfeln? Wenn der Mensch damals schon keinen Zugang zu großen Kohlenhydratmengen hatte, woher sollen die Hunde ihn gehabt haben, um sich daran zu gewöhnen…?

Hunde haben keinen Kohlenhydratbedarf!

Ich vermag diese Frage nicht zu beantworten, aber eins ist heute noch Fakt: Hunde haben keinen Kohlenhydratbedarf. Gar keinen! Nein, auch nicht um konzentriert zu sein und ein angemessenes Verhalten zu zeigen. Sie haben zwar einen metabolischen Glukosebedarf, aber benötigen dafür keine Kohlenhydrate in ihrer Nahrung, auch wenn sie sie durchaus verwerten können. Und nur, weil man etwas verwerten kann, heißt es noch lange nicht, dass es sinnvoll ist, sich damit vollzustopfen. Menschen können schließlich auch Rohrzucker (oder viele auch Alkohol) verwerten, dennoch käme niemand, der an gesunder Ernährung interessiert ist, auf die Idee, die Nahrung zu 50 % aus diesen Zutaten zu gestalten.

Riesige Mengen an Kohlenhydraten sind schlichtweg unnatürlich. Sie kommen in der Natur nicht vor. Die großen Kohlenhydratlieferanten (Getreide, Kartoffeln, süße Früchte etc.) sind alle samt Kulturpflanzen eine Erfindung des Menschen und zwar eine ziemlich neue wie die Geschichte zeigt. Die Langzeitwirkungen auf eine solche Fütterung wurden an Hunden nie durch Vergleichsstudien geprüft. Es ist also vollkommen unklar, ob die kohlenhydratreiche Nahrung sich auf die Lebenserwartung und Qualität der Hunde positiv auswirken kann. Beim Menschen hat sie jedenfalls nicht dazu geführt, denn mit dem Übergang ins neolithische Zeitalter entwickelte sich unser Höhenwachstum rückläufig, die Kindersterblichkeit nahm zu und Infektionskrankheiten, Erkrankungen des Bewegungsapparates und der Zähne häuften sich. Inwieweit das auch auf Hunde zutrifft, wurde nicht untersucht, Fakt ist aber, dass heute auch Hunde vermehrt an so genannten Zivilisationskrankheiten leiden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die getreidebasierte Ernährung der letzten Jahrzehnte dazu geführt hat.

Das ist der Grund, warum Barfer große Mengen an Getreide (und auch Kartoffeln, Maniok etc.) in der Regel ablehnen. Nicht, weil der Hund diese Nahrungsmittel nicht verdauen kann, sondern weil die Idee hinter BARF ist, möglichst naturnah zu füttern und massenhaft Kohlenhydrate eben unnatürlich sind. Man barft einfach nicht, wenn sich große Mengen an Getreide oder Kartoffeln in der Ration befinden, weil das den Konzeptregeln von BARF (Orientierung der Ernährung am Beutetier) widerspricht.

Also erfolgt die Ablehnung doch aus ideologischen Motiven, BARF ist also doch eine Religion? Nein, denn es gibt natürlich Fakten, die die Sinnhaftigkeit des Low Carb Konzeptes untermauern.

Nachteile und Vorteile der Kohlenhydratfütterung

Es gibt einige Punkte, die gegen einen hohen Kohlenhydratanteil in der Hundenahrung sprechen, wie z. B. dass Kohlenhydratlieferanten

nährstoffarm sind und durch starken Einsatz nährstoffreiche Futterkomponenten (z. B. Innereien) aus der Ration verdrängen, so dass Nährstoffmängel entstehen können,

die Entwicklung von Zahnstein begünstigen,

die Gefahr für Magendrehungen erhöhen,

die schwer verdauliche Kohlenhydrate liefern (z. B. erkaltete Kartoffelstärke, Maniok-Stärke, Stärke aus Bananen), die Eiweißverdauung teilweise vom Dünndarm in den Dickdarm verschieben, was zur erhöhten Ausschüttung von zelltoxischem Ammoniak führt,

immer auch mit minderwertigen Protein (ungünstige Aminosäuren Zusammensetzung) einhergehen,

den Rohfasergehalt der Ration erhöhten, sodass die Verdaulichkeit des Futters insgesamt sinkt,

von Welpen bis zu einem Alter von 4 Monaten aufgrund fehlender Enzymausstattung in der Bauchspeicheldrüse nicht gut verwertet werden können,

von vielen Hunden aufgrund allergischer Reaktionen nicht vertragen werden,

einigen Endoparasiten (z. B. Giardien) als Nahrungsgrundlage dienen,

das Wachstum vorhandener Tumore stimulieren, weil die daraus gewonnene Glukose im Gegensatz zu Fetten von Krebszellen als primäre Energiequelle genutzt wird.

Speziell auf Getreide trifft außerdem zu, dass darin enthaltene antinutritive Stoffe wie

Phytinsäure den Bedarf an Nährstoffen wie z. B. Calcium, Eisen, Magnesium, Zink etc. durch die reduzierte Bioverfügbarkeit erheblich steigern,

Alpha-Amylase-Hemmer und Protease Hemmer schädliche Zellveränderungen in der Bauchspeicheldrüse hervorrufen, die zur Entstehung von Krebs führen können,

Lectin eine Bauchspeicheldrüsenvergrößerung sowie Veränderung der Dünndarmzellen hervorrufen können.

Während bei den letzten drei Substanzen recht große Mengen aufgenommen werden müssen, um negative Effekte zu erzeugen, hat die Phytinsäure auch in geringeren Mengen Praxisrelevanz, sodass Tiere, die viel Getreide zu sich nehmen, einen erhöhten Nährstoffbedarf aufweisen, der dann mit den nährstoffarmen, kohlenhydratreichen Rationen nicht gedeckt werden kann. Wie man außerdem sehen kann, ist nicht nur Getreide problematisch, wenn es um die Nachteiligkeit solcher Futtermittel geht, sondern auch andere Stärke Lieferanten.

Es gibt nur wenige Argumente, die für die großangelegte Anreicherung der Ration mit Stärke sprechen und diese haben in der Regel wirtschaftliche Motive: Ohne Stärke Lieferanten kann kein Trockenfutter gepresst und ohne sie kann auch kein preiswertes Futter angeboten werden. Die Industrie benötigt die Stärke, nicht der Hund. Und da nützt es auch nichts, Getreide durch Bananen oder Kartoffeln zu ersetzen. Stärke bleibt Stärke (auch wenn sich die Verdaulichkeit durchaus unterscheidet) und die braucht ein Hund schlichtweg nicht.

Sind Stärke Lieferanten also der Mephisto der Futtermittel?

Nein! Es gibt keinen Grund, die Fütterung von Getreide und Co. gänzlich zu dramatisieren. Natürlich ist es unproblematisch, wenn ein kleiner Teil des Futters aus Getreide oder Kartoffeln besteht, denn schließlich können Hunde aufgeschlossene Stärke ja durchaus verwerten und in geringen Mengen schaden sie ganz sicher nicht. Wir Barfer sind nicht generell Getreide Hasser, wie man uns gern vorwirft. Natürlich schlagen wir keine so großen Kohlenhydratmengen vor, wie es bei Pseudo BARF der Fall ist, aber nicht umsonst gibt es auch eine BARF Version, die Getreide vorsieht, allerdings beschränkt sich das auf einen maximal 10 % Anteil. Die Menge macht das Gift.

Einigen nimmersatten Hunden ist mit etwas Kartoffel, Dinkel, Haferflocken oder Reis im Futter tatsächlich geholfen und natürlich lassen sich auch die Kosten der Fütterung mit einem gewissen Anteil an Getreide oder anderen stärkereichen Futtermitteln reduzieren, aber notwendig sind sie deswegen noch lange nicht.

Ganz kohlenhydratfrei sind BARF Rationen im Übrigen auch ohne den Einsatz von Getreide oder Kartoffeln nicht, denn natürlich liefern Obst und Gemüse ebenfalls Kohlenhydrate und auch die für Hunde notwendigen Faserstoffe. Diese Faserstoffe braucht der Hund tatsächlich (zur Aufrechterhaltung der Darm-Peristaltik und einer gesunden Darmflora), Kohlenhydrate als Energiequelle jedoch nicht!

Es scheint eher so als könnten sich einige Menschen eine stärkearme Ernährung nicht vorstellen, weder für sich selbst, noch für den Hund. Als hätte es nicht eine Zeit gegeben, in der sowohl der Mensch als auch sein Begleiter der Hund, ganz ohne diese Nahrungsmittel auskamen und es nicht morgens, mittags und abends Weizen und Co. gab. Die Geschichte zeigt aber, dass es möglich sein muss, denn starke Kohlenhydratlieferanten sind aus evolutorischer Sicht ziemlich neu… Es stellt sich also die Frage, warum es gut sein soll, Hunde mit Kohlenhydraten regelrecht zu mästen. Und bei den üblicherweise vorkommenden Mengen im (industriell gefertigten Trocken Futter) kann man durchaus von Mast sprechen.

Wie viele Kohlenhydrate stecken im Futter?

Ja, wie hoch ist der Kohlenhydratanteil in einem Fertigfutter eigentlich? Diese Daten sind auf den Futterpackungen für gewöhnlich nicht zu finden, denn sie zählen nicht zu den deklarierungspflichtigen Angaben. Allerdings kann sie jeder Hundehalter ganz einfach selbst ermitteln.

Der Kohlenhydratanteil ist das, was übrig bleibt, wenn man von 100 % das Rohprotein, das Rohfett, die Rohasche und die Feuchtigkeit im Futter abzieht. Rohfaser zählt zu den Kohlenhydraten, weshalb sie nicht abgezogen wird. Oftmals wird der Feuchtigkeitsgehalt vom Trockenfutter nicht angegeben da kann man einfach 7 % ansetzen. Das ist ein üblicher Wert.

Betrachten wir einige Futtersorten im Vergleich, darunter Sorten mit Getreide, aber auch getreidefreie Sorten:


Futter A Huhn & Gemüse

Futter B Lachs & Kartoffel

Futter C Geflügel & Banane

Rohprotein

22 %

22 %

20 %

Rohfett

13 %

14 %

10 %

Rohasche

8 %

5,6 %

7 %

Feuchtigkeit (geschätzt)

7 %

7 %

7 %

Kohlenhydratanteil

50 %

51,4 %

56 %

Wie man sehen kann, liegt der Kohlenhydrat Anteil bei all diesen Futtersorten bei mindestens 50 %. Ist das nicht ein bisschen viel für eine Komponente, die ein Hund gar nicht benötigt?

Nicht viel anders sieht es aus, wenn man sich die Vorschläge für selbst zusammengestellte Rationen vieler Wissenschaftler oder Veterinäre anschaut. Auch in diesen Futterplänen nehmen Kartoffeln, Haferflocken und Co. recht viel Platz ein, selbst wenn die Rationen dann als „BARF“ bezeichnet werden (was sie natürlich nicht sind).

Schlussfolgerung

Dass der Hund wegen seiner angeblichen, gegenüber Wölfen gesteigerten Fähigkeit, Stärke zu verdauen, überhaupt erst domestiziert werden konnte, ist vor dem Hintergrund der zeitlichen Abläufe der Entstehung des Ackerbaus zumindest fragwürdig. Hunde haben außerdem keinen Kohlenhydratbedarf, weswegen es nicht notwendig ist, große Mengen an Getreide, Kartoffeln oder anderen Stärke Lieferanten zu verfüttern. Abgesehen davon entspricht der massenhafte Einsatz dieser in der Natur nicht vorkommenden Futtermittel nicht den BARF Konzeptregeln und bringt auch unabhängig von diesen für das Tier Nachteile mit sich, weshalb der Einsatz von Stärke Lieferanten beschränkt werden sollte ganz ohne Drama. Diese Frage muss man auch nicht aus ideologischen Gesichtspunkten betrachten, die Fakten sprechen für sich!


C. Kaul

Comments

Rated 0 out of 5 stars.
No ratings yet

Add a rating

©2023 von Hunde zum Lorcheborn. Erstellt mit Wix.com

bottom of page